Wappen der tschechischen Partnerstadt als rollendes Symbol
Am 23. Oktober 2019 tauften Dr. Markéta Vanková, Oberbürgermeisterin von Brünn (Brno), der Stuttgarter Bürgermeister Martin Schairer und der Technische Vorstand und Vorstandssprecher der Stuttgarter Straßenbahnen AG, Thomas Moser, den Stuttgarter Stadtbahnwagen mit der Nummer 3521 auf den Namen der Stuttgarter Partnerstadt Brünn in Tschechien. Das Wasser dazu stammt aus dem Fluss Svratka (Schwarzach), der durch Brünn fließt.
Anlass war 30-jährige Bestehen der Städtepartnerschaft zwischen Stuttgart und der mährischen Metropole. Denn schon 1987, als der Ostblock noch bestand, hatte der damalige tschechische Botschafter eine solche kommunale Beziehung angeregt. Zufällig direkt vor dem Mauerfall 1989 beschloss Stuttgart die Annäherung, Brünn bestätigte den freundschaftlichen Pakt noch im gleichen Jahr.
Lebendige alte Stadt
Brünn ist mit rund 380.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt in Tschechien und Sitz der höchsten Gerichte der Tschechischen Republik bis zum Verfassungsgericht. Durch das überkommene Stadtbild mit historischem Zentrum, gekrönt von der Festung Spilberk und dem Dom St. Peter und Paul, eine Vielzahl von Baudenkmälern und Sehenswürdigkeiten gilt Brünn als touristisches Ziel mit Flair, aber auch als früher Schwerpunkt der tschechischen Industrie und aktuell als Boomtown des deutschen Nachbarlandes. Brünn bildet eine bedeutende Messe-, Handels-, Industrie- und Forschungsstadt im geografischen Zentrum Europas. Bis zum Ende der Monarchie war mehr als 60 Prozent der Bevölkerung der Kernstadt deutschsprachig, daher die zweisprachliche Stadtbezeichnung.
Zu Stuttgart gibt es viele Gemeinsamkeiten: sei es die in einen Talkessel unter Hügelkränzen gebettete Lage an einem Fluss, die Tradition des Maschinenbaues, der Rang als einer der wichtigsten Hochschulstandorte Tschechiens mit rund 70.000 Studierenden, etwa gleich viel wie in Stuttgart, nicht weniger aber der kulturelle Ruf mit zahlreichen Theatern, Museen, philharmonischem Orchester, Zoo und botanischem Garten. Beide Städte wurden im 13. Jahrhundert gegründet, beider Topografie umfasst etwa die selbe Höhenlage, beide verfügen mit Wohngebäuden im Stil der Moderne der 1920er Jahre über architektonische Denkmäler mit Unesco-Rang - in Brünn bildet dabei die Villa Tugendhat das Gegenstück zur Stuttgarter Weißenhofsiedlung.
Auch beim Öffentlichen Nahverkehr gibt es Parallelen: Die kommunale Straßenbahn in Brünn umfasst ein knappes Dutzend Linien auf einem Streckennetz von rund 70 Kilometern mit über 300 Wagen (Stuttgart: über 200 Fahrzeugeinheiten auf über 130 Netzkilometern). Beide fahren elektrisch auf der Normalspur, die jährliche Fahrgastzahl in Brünn erreicht knapp 200 Millionen (Stuttgart über 180 Millionen). Brünn verfügt außerdem über ein Dutzend rein elektrisch betriebener O-Bus-Linien und ebenso wie Stuttgart über einen Verkehrsverbund. Beide Straßenbahnbetriebe sind praktisch genau gleich alt, 150 Jahre, und in beiden Kommunen handelte es sich ursprünglich um zwei verschiedene Privatunternehmen, die den Nahverkehr in Schwung brachten. Während Stuttgarts Stadtbahn althergebracht umgangssprachlich „Strambe“ genannt wird (abgeleitet von ‚Straßenbahn‘), bezeichnen die Brünner ihr Stadtverkehrsmittel als ‚Schalina‘, eine salopp verkürzte mundartliche Form der früheren deutschsprachigen Bezeichnung „elektrische Linie“.
Das Stadtwappen von Brünn zeigt einen Schild mit rot-weißen Balken und ist in dieser Form mindestens seit dem 16. Jahrhundert überliefert.
Insgesamt weilte aus Anlass des 30-jährigen Jubiläums eine hochrangige 22-köpfige Delegation aus Gemeinderat, Verwaltung und Aktiven der Städtepartnerschaft unter der Leitung der Brünner Oberbürgermeisterin Dr. Markéta Vaňková vom 21. bis 24. Oktober in Stuttgart. Im Mittelpunkt des Besuchs standen Fachgespräche und -besuche zu den Themen Energie und Stadtentwicklung, Start-ups und Innovation sowie Schule und Bildung.
Gegensätze und Gemeinsamkeiten
Die 1989 begründete Städtepartnerschaft zwischen Stuttgart und Brünn hat zahlreiche Kooperationen, Veranstaltungen und Freundschaften hervorgebracht. So profitieren Schüler, Jugendliche, Studenten, Künstler, Sportler oder Journalisten vom Austausch, für Unternehmer öffnen sich neue Märkte. Die Städtepartnerschaft ist nach wie vor vom Gedanken der Verständigung getragen, es sind aber zahlreiche weitere Facetten und Themen hinzugekommen. Sie sie heute ein Zeichen für Offenheit, gegen Engstirnigkeit und Protektionismus.
Brünn unterhält neben der Partnerschaft mit Stuttgart 15 weitere Städtepartnerschaften, sei es mit Charkiw (Ukraine), Dallas (USA), St. Pölten (Österreich) oder Daejeon (Südkorea).
Stadtbahnzüge als rollende Botschafter
Schon seit Eröffnung des Stadtbahnnetzes in Stuttgart 1986 wird seitens der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) der Brauch der Taufe von Stadtbahnwagen gepflegt. Bereits zuvor hatten die Wagen der Stuttgarter Zahnradbahn Namen und Wappen bekommen. Heute tragen über dreißig der gelben Züge aus dem Bestand der SSB die Namen von Stadtbezirken und Stadtteilen aus Stuttgart, von Partnerstädten der Landeshauptstadt und von Nachbarstädten, die an die Stadtbahn Stuttgart angeschlossen sind.
Erstmals 2015 wurde einem der gelben Stadtbahnzüge der SSB die Ehre zuteil, nach einer der internationalen Partnerstädte benannt zu werden: Die Reihe begann mit der Stadt Cardiff (seit 1955, Großbritannien). Im Jahr 2017 folgte die russische Stadt Samara (seit 1992), 2018 die Stadt Lodz in Polen (seit 1988), Mumbai in Indien (seit 1968) und St. Helens in Großbritannien (seit 1948).
Bild 1775: Thomas Moser, Technischer Vorstand der SSB, Markéta Vanková, Oberbürgermeisterin von Brünn, und Martin Schairer, Bürgermeister von Stuttgart, tauften den Stadtbahnwagen 3521 auf den Namen der tschechischen Stuttgarter Partnerstadt. Moser unterstrich die Gemeinsamkeiten der kommunalen Schienenverkehrsbetriebe: „Beide sind 150 Jahre alt, beide haben Spitznamen: In Stuttgart heißt die Straßenbahn ‚Strambe‘, in Brünn sagt man ‚Schalina‘. - Foto: SSB AG